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Darf ich immer meine Meinung sagen? Nein! #0062

Darf ich (immer) meine Meinung sagen? Nein!

Die Meinung anderer kann wichtig und sehr wertvoll sein. Aber wie oft kommt es vor, dass diese Meinung nichts Sinnvolles bewirkt, wir diese Meinung gar nicht brauchen? Eine Meinung kann auch eine Anmaßung sein, wenn sie nicht legitimiert ist. Wann die Äußerung einer Meinung „ok“ ist und wann nicht, wird in diesem Artikel untersucht.

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Die Situation:

„Was tust Du da?“ Wie konntest Du nur?“ „Da hast Du Dich ja ganz schön blamiert.“ „Also, Ihr beide benehmt Euch wie die Kinder.“ „Das hätte ich ja nicht getan.“ „Also ich finde Deine Auto zu groß.“ „Das Kleid geht gar nicht.“ Wir kennen das alle – auf einmal werden wir mit einer Meinung über uns oder unser Verhalten konfrontiert. Das ist schmerzhaft.

Wie oft werden wir Opfer von Meinungsäußerungen, die weder qualifiziert noch hilfreich sind? Viel zu oft, wie ich finde. Wie wollen Sie sich in Zukunft in Bezug auf eigene Meinungsäußerungen verhalten? Wie wollen Sie in Zukunft mit erhaltenen Meinungsäußerungen umgehen?

Sehen wir uns das einmal genauer an:

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Fall 1: Ihre Meinung ist positiv

Wenn Sie finden, dass jemand etwas gut gemacht hat oder gut aussieht, dass ist das ein Lob und ein Lob ist grundsätzlich gern gehört. Natürlich gibt es auch hier Grenzen.

Fall 2: Ihre Meinung ist negativ

  1. Wenn Ihre Meinung negativ, aber ausdrücklich erbeten ist, …
    .. dann dürfen Sie Ihre Meinung sagen. Inwieweit es sinnvoll, hilfreich und clever ist, Ihre ganze aufrichtige Meinung zu sagen, ist von Fall zu Fall abzuwägen – Auf jeden Fall sind Sie legitimiert, Ihre Meinung zu sagen.
  2. Wenn Ihre Meinung negativ, aber nicht angefordert ist, …
    … dann sollten Sie auch den Mund halten. „Wenn Sie nichts Positives zu sagen haben, dann halten Sie die Klappe.“ lautet ein Wahlspruch. Mit nicht erbetenen negativen Meinungsäußerungen machen Sie sich keine Freunde – im Gegenteil – Sie verärgern Ihre Umwelt. Aber es gibt Ausnahmen …

Unter welchen Bedingungen man seine negative Meinung trotzdem äußern darf oder soll

  1. Selbstschutz
    Ihre negative Meinung schützt Sie selbst. Dann sollten Sie Ihre Meinung sagen.
    „Ich finde Dein Verhalten mir gegenüber falsch – lass das bitte zukünftig.“ Klare Grenzen setzen ist Pflicht.
  2. Schutz der Familie
    Innerhalb der Familie kann es sinnvoll sein, auch negative Meinungen oder Aussagen anzubringen. Wenn die Tischmanieren nicht ausreichend für ein schmerzfreies Auftreten in der Öffentlichkeit sind, das Verhalten anderen Menschen gegenüber nicht in Ordnung ist oder die geliebte Person Gefahr läuft, sich selbst zu gefährden (Rauchen, unzweckmäßige Kleidung, Umgang mit nicht geeigneten Personen, …) .
  3. Führung
    Sie haben die Verantwortung für eine Firma und müssen die Mitarbeiter steuern. Mitarbeiter sind in Prozesse und Verfahren einzuweisen und auch mit sozialen Strukturen und Regeln vertraut zu machen. Hier kann man mit Lob viel erreichen, muss aber manchmal – im Sinne aller und des Unternehmens auch härtere Tönen anschlagen.
  4. Soziale Verantwortung (Courage)
    Sie spüren eine generelle Verantwortung für die Gesellschaft oder für einzelne Menschen. Ich spreche hier das Thema Courage und soziale Verantwortung an: Kinder oder Frauen werden geschlagen, Sie werden Zeugen von Ungerechtigkeit, Sie treten für ein politisches Recht ein, etc.

Abwägen – ab wann macht es Sinn, negativ zu reden?

Es gibt auch Ausnahmen von der Ausnahme. Also auch wenn Sie eine Legitimation haben, eine negative Meinung zu äußern, macht es manchmal schlichtweg keinen Sinn. Beispielsweise, wenn Sie mit der negativen Äuperung nichts mehr ändern können. Das ist der Fall, wenn:
+ Das Glas kaputt ist.
+ Der Kaufvertrag nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
+ Das Tatoo gestochen ist.
+ Eine Entscheidung gefällt und nicht mehr revidierbar ist.

Eine Äußerung bewirkt immer etwas.

Ich bin mittlerweile vorsichtig mit eigenen Meinungsäußerungen geworden. Und werde immer vorsichtiger. Meinte ich noch vor Jahren, die Welt retten zu müssen und mit meiner Meinung nicht hinter dem Berg halten zu dürfen, gehe ich mittlerweile immer mehr – wahrscheinlich immer noch nicht weit genug – in die Beobachtungsposition.

Eine Meinungsäußerung hat immer eine Wirkung. Für einen Selbst ist es manchmal wie eine Befreihung, seine Meinung loszuwerden und Luft zu machen. Aber die Luft kommt ja irgendwo an – und belästigt gerne auch mal andere.

„Auch Ratschläge sind Schläge … wenn Sie nicht erbeten wurden“ heißt ein Sprichwort. Wie wahr!

Wie können Sie mit anmaßenden Meinungen anderer umgehen?

Wenn Ihnen einmal wieder jemand seine negative Meinung aufdrängt, dann könnten Sie sagen: „Ich akzeptiere Deine Meinung, ich möchte sie dennoch nicht annehmen und ich wäre froh, wenn Du Deine Meinungen zkünftig für Dich behalten würdest.“

Aber vielleicht gelingt es Ihnen ja auch, Ihre Ohren auf Durchzug zu schalten – ich schaffe das leider noch nicht – aber … ich arbeite daran!

P.S.: Hier ist Ihre Meinung explizit erbeten! :-)

Der Umgang mit sich und seinen Mitmenschen ist ein wichtiger Baustein der Persönlichkeitsentwicklung. Ein Konzept der systematischen Persönlichkeitsentwicklung finden Sie in meinem Buch: Das ICH-Management.

8 Kommentare

  1. „Wenn Ihnen einmal wieder jemand seine negative Meinung aufdrängt, dann könnten Sie sagen: „Ich akzeptiere Deine Meinung, ich möchte sie dennoch nicht annehmen und ich wäre froh, wenn Du Deine Meinungen zkünftig für Dich behalten würdest.““

    Ich finde es anmaßend mir mein Recht der Meinungsfreiheit nehmen zu wollen und zu sagen ich solle meine Meinung für mich behalten. Solange man es in einem angemessenen Ton sagt und es nicht beleidigend oder Irgendwelche Minderheiten diskriminiert finde ich es vollkommen ok seine Meinung zu äussern. Ich finde man kann sich die Meinungen anhören aber muss sie ja nicht teilen. Gerade unter Freunden sollte es möglich sein seine eigene Meinung unbefangen zu äussern.

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    • Ich denke, es geht primär um die Frage, ob es die jeweiligen Situation überhaupt erfordert, seine Meinung zu äußern oder ob nicht der Effekt, den anderen damit vor den Kopf zu stoßen, ein größerer ist. Vor allem, wenn derjenige nicht um eine Meinung gebeten hat.
      Sofern es nicht darum geht, mich selbst vor irgendwelchen Anfeindungen zu schützen, oder es nicht darum geht, ein Thema zu diskutieren, halte ich mich an das Motto „Leben und leben lassen“. Man muss nicht immer seinen ungefilterten Senf dazu geben.

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  2. Natürlich darf ich meine Meinung äußern. Immer. Ich muss halt mit den Konsequenzen leben…

    („Ich akzeptiere Deine Meinung, ich möchte sie dennoch nicht annehmen und ich wäre froh, wenn Du Deine Meinungen zukünftig für Dich behalten würdest.“)
    Wo steht, das man irgendjemandes Meinung annehmen muss??
    Wenn mir eine Meinung nicht gefällt und ich dem Sprecher so brachial über den Mund fahre, ist das mindestens genauso anmaßend und spricht wirklich nicht für mich. Aber man merkt dann schon, wenn bald niemand mehr mit einem spricht…

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  3. Pingback: Vom richtigen Umgang mit Kritik | Büttners Sammelsurium ..

  4. ich kenne das leider auch, dass Leute sauer sind, wenn ich meine (abweichende) Meinung äussere. Schade, denn ich finde, jeder hat das Recht , zu sagen, was er denkt, so wie es auch Im Grundgesetz steht. Ausserdem wäre es doch furchtbar langweilig, wenn alle der selben Meinung sind…

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  5. Sie sprechen mir aus der Seele!!! Ich gehöre zu den Menschen, die ihre Meinung fast nie ungefragt äußern. Das liegt nicht daran, dass ich keine habe, sondern daran, dass es häufig nicht hilfreich ist, dem anderen meine Meinung aufzudrängen. Andersrum passiert es mir leider immer wieder, dass Leute meine Grenzen diesbezüglich einfach rigoros missachten und ich mir zu den belanglosesten Dingen deren Meinung anhören „muss“. Die Ohren dann auf Durchzug zu schalten…. SEHR schwierig, aber ich arbeite dran.

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  6. JustMy2Cents

    19/04/2020 @ 16:54

    Guter Artikel!

    Hier fehlt aber was:

    „Ich spreche hier das Thema Courage und soziale Verantwortung an: Kinder oder Frauen werden geschlagen, Sie werden Zeugen von Ungerechtigkeit, Sie treten für ein politisches Recht ein, etc.“

    Da sollte stehen: „Kinder oder Frauen oder Männer“.

    Oder am besten gleich „Mitmenschen“, das ist der allgemeinste speziesbezogene Begriff (und wir haben nebenbei auch die 1%-oder-so-Zwischengeschlechtlichen mit drin, sprich dir pinkelt nicht die Duweißtschon-Fraktion ans Bein ;-) ).

    Wäre noch die Frage, ob man das noch weiter auf „Mitlebewesen“-Fraktion ausweiten sollte, aber da bin ich überfragt. Auch weil ich nicht weiß, wie man Pflanzen, Insekten, usw. aus der Definition dann wieder mit einem simplen Wort ausschließt xD.

    Cheers!

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  7. Anette Wagner

    26/09/2021 @ 19:40

    Hallo. Ich bin Kerstin.
    Was mich stört ist, das ich mich immer zusammen reiße,was meine Meinung angeht. Ich gebe viel bei Freunden und Familie. Trotzdem habe ich manchmal das Gefühl das ich alleine bin.
    Ich sage immer was ich denke….
    Leider!

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